Wind of Change? Ökologische Folgen des Ausbaus erneuerbarer Energien in der Nordsee

Geophysiker Nils Christiansen erhält den mit 30.000 Euro dotierten Kurt-Hartwig-Siemers-Wissenschaftspreis 2024

Sein Forschungsfeld ist das Meer. Dr. Nils Christiansen ist Geophysiker am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht im Exzellenzcluster "Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS)". Er hat am 17. Dezember von der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung den Kurt-Hartwig-Siemers-Wissenschaftspreis 2024 erhalten für seine Forschungen über die Auswirkungen des Ausbaues erneuerbarer Energien in der Nordsee. Im Fokus stehen dabei die Offshore-Windenergie und die Produktion von grünem Wasserstoff auf See.

Ekkehard Nümann, Präsident der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung: "Von den 14 Bewerbungen für den diesjährigen Siemers-Preis hat uns die von Nils Christiansen besonders überzeugt. Anhand von Simulationen und Modellrechnungen untersucht er die Auswirkungen erneuerbarer Energiegewinnung in der Deutschen Bucht. Seine Erkenntnisse liefern Orientierung für den nachhaltigen Ausbau dieses Energiereservoirs."

Nils Christiansen: "Der Ausbau erneuerbarer Energien ist ein weiterer menschlicher Eingriff in das Ökosystem Nordsee. Unsere Modellierungen zeigen Veränderungen in der umgebenden Meeresphysik und lassen auf mögliche ökologische Folgen schließen – negative wie positive. Es deutet sich an, dass der Fußabdruck der Offshore-Windenergie und der Wasserstoffproduktion durch technologische Anpassungen verringert werden kann. So zeigt sich beispielsweise, dass die Eintragungstiefe von Sole und Abwärme entscheidend für deren Ausbreitung und Verdünnung ist, während größere Turbinenabstände die Effekte der Windparks reduzieren könnten."

Offshore-Windkraftanlagen haben zwei ökologisch relevante Wirkungen:

  1. Die Windturbinen entziehen der Atmosphäre Energie zur Produktion von grünem Strom. Dadurch nimmt die Windgeschwindigkeit stromabwärts ab. Da der Wind ein entscheidender Antrieb der Nordseeströmungen ist, verändern diese verringerten Windgeschwindigkeiten die Strömungsgeschwindigkeiten und die Durchmischung des Wassers im Umkreis der Windparks.
  2. Die Fundamente der Windturbinen bilden Hindernisse für Meeresströmungen. Lokal werden Strömungen abgelenkt, Geschwindigkeiten verändern sich und es entsteht eine hohe Turbulenz durch Reibungseffekte. Diese Turbulenzen haben entscheidenden Einfluss auf lokale Durchmischungsprozesse oder den Transport von Sedimenten hinter den Fundamenten.

Hinzu kommen noch die möglichen Effekte der Wasseraufbereitung, die für zukünftige Offshore-Wasserstoffproduktion notwendig werden könnte. Bei der Produktion auf See entstehen Sole und Abwärme durch die Meerwasserentsalzung und die Elektrolyse. Beide Nebenprodukte haben deutlich höhere Konzentrationen und Temperaturen als das Meerwasser, sie beeinflussen bei Rückführung ins Meer also das natürliche Gleichgewicht.

Zum Preisträger

Nils Christiansen (*1993) wurde 2023 an der Universität Hamburg im Fach Erdsystemwissenschaften mit einer Arbeit zum Thema "Regional impacts of offshore wind farms on the North Sea hydrodynamics" promoviert. Hierfür erhielt er 2024 den Helmholtz-Promotionspreis für Forschung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Anwendung im Forschungsbereich Erde und Umwelt. Aktuelle Studie: "Offshore hydrogen production leaves a local hydrographic footprint on stratification in the North Sea".