"Hamburgs geistige Zahlungsfähigkeit"
Aby und Max Warburg im Dialog
Über Aby und Max Warburg ist schon viel geschrieben worden. Noch niemals wurden jedoch die Biographien der beiden Brüder miteinander verzahnt. Genau dies gelingt Karen Michels in ihrer neuen Publikation, die gerade als siebzehnter Band der von der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung herausgegebenen Reihe "Mäzene für Wissenschaft" erschienen ist.
Die Geschichte, wie Max Warburg Chef des familieneigenen Bankhauses wurde, obwohl sein Bruder das Geschäft hätte übernehmen sollen, ist oft erzählt: Als er 12 Jahre alt war, bot ihm der ein Jahr ältere Aby sein Erstgeburtsrecht gegen das Versprechen an, ihm fortan alle Bücher zu kaufen, die er bräuchte. Max nahm an – und stellte damit, wie er später merken sollte, "den größten Blankoscheck meines Lebens" aus.
Die Lebenswege der beiden Brüder strebten von hier aus in unterschiedliche Richtungen: Aby Warburg (1866-1929) wurde Geisteswissenschaftler und Privatgelehrter und baute seine Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg (K.B.W.) zu einem international geschätzten, halb-öffentlichen Forschungsinstitut aus. Max Warburg (1867-1946) wurde Bankier und Politiker und entwickelte das Bankhaus M. M. Warburg & Co. zu einer der wichtigsten Privatbanken Deutschlands.
Die Brüder blieben sich nicht nur persönlich gewogen. Auch ihre politischen, kultur- und wissenschaftspolitischen Unternehmungen geschahen in einem intensiven Dialog. Ein parallel von beiden Seiten mit besonderem Einsatz verfolgtes Ziel war die Förderung der Gründung einer Universität in Hamburg. Erst mit dem Neuanfang 1919 war es möglich, dies durchzusetzen. Es ging, darin waren sich Aby und Max einig, um nichts weniger als um "Hamburgs geistige Zahlungsfähigkeit".
Hinter der Oberfläche dieser und anderer Initiativen verbarg sich ein von beiden Brüder synchron und mit großer Intensität betriebenes Projekt: die Überwindung des engstirnigen nationalistischen Denkens in Deutschland. An dessen Stelle sollte die Verbundenheit durch gemeinsame Geschichte und Kultur treten, an der sie als deutsche Juden endlich – im Sinne eines gesellschaftlichen Fortschritts – teilhaben durften.
Karen Michels’ Buch stellt dieses Thema anhand zahlreicher Beispiele und teilweise unveröffentlichtem, im Londoner Warburg-Archiv lagernden Quellenmaterial dar. Es gelingt der Autorin, die Verknüpfung von Bildung, Forschung und gesellschaftlicher Verantwortung in einem neuen Licht erscheinen zu lassen.
Die Publikation erscheint bei Hamburg University Press und kann direkt dort (keine Versandkosten) oder im Buchhandel (ISBN 978-3-943423-28-0) bestellt werden.