Drei Fragen an Sylvia Steckmest

Sylvia Steckmest, Autorin unseres Bandes Zwischen Emanzipation und Emigration. Das Modehaus Gebr. Robinson am Neuen Wall, im Gespräch mit dem Präsidenten der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Ekkehard Nümann.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Sie haben bereits die Biographie der Firma Rappolt und Söhne geschrieben. Welche Bedeutung hatte die Modefertigung denn einst in Hamburg?

Sylvia Steckmest: Bekleidung wurde nach Erfindung der Nähmaschine in Wohn- und Bürohäusern gefertigt, denn sie ermöglichte ein leises und geruchsfreies Arbeiten. Die Textilverarbeitung wurde für Hamburg ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig. Man sieht es an den Firmen Rappolt und Feldberg, die 1912 große Gebäude in der Mönckebergstraße errichten ließen. Der Großhandel mit Stoffen fand zunächst eher unsichtbar statt, doch mit den Ladengeschäften für Stoffe, hier wäre H.B. Oppenheimer zu erwähnen mit seinem großen Haus am neuen Wall, begann ab 1847 die Ära für Stoffgeschäfte. Die Konfektion folgte ca. dreißig Jahre später. Damit begannen sich kleine und große Modehäuser zu etablieren mit den Hirschfelds und Robinsohns als wichtigsten Namen.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Viele Modehäuser in der Hansestadt waren jüdische Gründungen – wie die Gebr. Robinsohn. Welche Innovationen boten sie und was zeichnete sie aus?

Sylvia Steckmest: Die Textilbranche in Hamburg – Handel wie Produktion – sollte schon im 18. Jahrhundert für Juden zu einem sehr wichtigen Berufszweig werden, da ihnen der Handel mit Stoffen auf Messen und Märkten erlaubt war. Läden durften sie allerdings noch nicht führen. Etwa 20 Prozent aller Hamburger Firmen im Bereich des Textil-, Groß- und Einzelhandels und der Produktion hatten um 1860 jüdische Inhaber, denn der Handel war immer weitervererbt worden. Da man sich untereinander kannte und vertraute, gab es auf diesem Sektor auch viele Neugründungen. Es ist nicht verwunderlich, dass auch die meisten Kaufhausgründer wie z.B. Tietz, Schocken, Wertheim, Israel, Gerson und Manheimer jüdisch waren. 
Die Modezeitschrift der Robinsohns wollte mit ihrer ungewöhnlichen Themenwahl mehr sein als nur ein Moderatgeber, sondern Frauen ermuntern, eigene Wege zu gehen. In der Firma von Robinsohn wurde das soziale Miteinander der Angestellten wertgeschätzt. Es gab eine extra Krankenkasse für die Angestellten und auch zwei Kantinen, die besonders während des Krieges fürsorglich mit Lebensmitteln ausgestattet waren.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Sie schildern, dass Hans Robinsohn als politisch wacher Bürger im antifaschistischen Widerstand aktiv war. Es scheint, als habe sich die Familie Robinsohn nicht brechen lassen durch Drangsalierung und Verfolgung.

Sylvia Steckmest: Es existierten tatsächlich mehr Widerstandsgruppen, als manche meinen, doch nur wenige von jüdischer Seite, denn sie waren extrem gefährdet. Die Robinsohns sowie die Familie von Max` Ehefrau waren immer politisch engagiert gewesen. Damit wuchs der Sohn Hans auf. Von der Jugend an bis zu seinem Tod war er politisch aktiv, auch zusammen mit seinen nichtjüdischen Freunden, die seine Haltung teilten. Seine guten Nerven und sein vorsichtiges Agieren, oft vom Ausland aus, machten ihn nicht greifbar. Während sein Vater und sein Onkel inhaftiert wurden, konnte er selber im November 1938 entkommen. Hans Robinsohn schrieb nach 1945 über die Inhaftierungen wegen sogenannter "Rassenschande". Auch legte er seine Vorstellungen zur Gestaltung der Bundesrepublik dar. Die Lektüre seiner Vortragstexte und der privaten Familienbriefe ergibt ein ungemein positives und liebenswertes Bild dieser Familie.

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