Drei Fragen an Martina Sitt

Martina Sitt, Autorin unseres Bandes Vom Salpetergeschäft zum Sammlerglück. Die Gemäldesammlung Eduard F. Weber – glanzvoll und doch verschmäht, im Gespräch mit dem Präsidenten der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Ekkehard Nümann.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Wirtschaftliche Kraft und Energie Eduard Webers – wie müssen wir uns seinen wirtschaftlichen Erfolg und den Erwerb seines Vermögens vorstellen?

Martina Sitt: Als junger Mann erlebte er in Chile, wie Salpeter in Mitteleuropa zu einem unverzichtbaren Rohstoff sowohl für Düngemittel wie Schwarzpulver wurde und stieg frühzeitig in dieses vielversprechende Geschäft ein. Seine Firma Weber & Cia. war eines der bedeutendsten Handelshäuser an der südamerikanischen Westküste. Das sicherte ihm über Jahrzehnte die Basis für seine immer teureren Kunstkäufe. Nicht zu vergessen ist dabei auch Webers griechisch-römische Münzsammlung – eine der größten Privatsammlungen in Europa. Hinzu kamen Landbesitz und Rittergüter in Schlesien. Seine gute Vernetzung, wie man heute sagen würde, brachte ihn auch mit anderen potenten Sammlern in Austausch über Ziele und Potentiale von Ankäufen.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Was und wie sammelte Eduard Weber – vor allem: mit welcher Motivation?

Martina Sitt: Sammeln ist zunächst eine Herzensangelegenheit, auch bei Eduard Weber. Kunstwerke, die ihn ansprachen, waren aber auch Bekenntnisse für bestimmte Interessenslagen im Laufe seines Lebens. So ließ er sich 1905 als Sammler mit einem Foto in der Hand porträtieren, das Christus in der Mandorla zeigt; das zeigt seine Faszination für komplexe theologische Darstellungen. Hinzu kommt, dass er seine inzwischen auch kunsthistorisch repräsentative Sammlung auf höchst fortschrittlichen Wegen (Kataloge, Fotografien und Kupferstiche) für eine breitere wissenschaftliche Diskussion aufbereiten ließ. Überdies beachtete er zunehmend die Herkunft der Werke und ihren Stellenwert für eine kunsthistorische Beschäftigung. Deshalb haben seine einstigen Spitzenstücke bis heute einen Platz im internationalen Kunstdiskurs.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Eduard Webers Sammlung kam erst viereinhalb Jahre nach seinem Tod unter den Hammer, 354 Bilder werden in zwei Tagen "durchgeklopft", wie die Presse schrieb. Nur 10 Prozent der Werke bleiben in Hamburg – hängt das mit der Konkurrenz zwischen Weber und dem Direktor der Kunsthalle, Alfred Lichtwark, zusammen?

Martina Sitt: Weber besaß ein eigenes Museum an der Alster und Gemälde von Rembrandt, Hals, Mantegna, Goya, Cranach und Tizian. Ein Besuch bei ihm wurde in Reiseberichten empfohlen, denn seine Sammlung ergänzte die Gemäldebestände der Hamburger Kunsthalle bestens. Dies irritierte Alfred Lichtwark, der seine Institution als Garant für eine öffentliche Präsentation von dem, was die Kunst der Jahrhunderte ausmachte, betrachtete. Warum also nach Webers Tod Geld für Werke ausgeben, die Partikularinteressen spiegelten, vermeintlich nur den Geschmack eines Einzelnen, der sich nicht einmal hauptberuflich damit beschäftigte? Da schien ein Aussitzen des für Hamburg "zu teuren" Angebots die klügere Wahl. Hamburg zahlte einen hohen Preis für diese Entscheidung, denn Webers Sammlung wurde 1912 in die ganze Welt verkauft. Und so hängt die "Madonna" von Mantegna heute im Metropolitan Museum in New York. 

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