Drei Fragen an Karen Michels

Karen Michels, Autorin unseres Bandes Emma und Henry Budge. Oder wie Hamburg einmal ein Porzellan-Palais entging, im Gespräch mit dem Präsidenten der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Ekkehard Nümann.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Henry Budge war schwer reich – wie konnte er so ein großes Vermögen schaffen?

Karen Michels: Der gebürtige Frankfurter und gelernte Bankkaufmann ging nach New York, wo er mit der Finanzierung transkontinentaler Eisenbahnstrecken viel Geld verdiente. Frankfurter Bankhäuser spielten bei den amerikanischen Eisenbahnunternehmungen eine wichtige Rolle – sie finanzierten Staatsanleihen oder investierten direkt in den Eisenbahnbau. Das erwies sich als hoch lukrativ. Beide, Emma und Henry Budge, brachten übrigens Teile ihres Vermögens auch in Stiftungen und wohltätige Einrichtungen ein – sie stehen für gelebte Philanthropie, die ausdrücklich Juden und Christen umschloss.  

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Emma Budge mit ihren repräsentativ-künstlerischen Interessen und der ebenso geschäftstüchtige wie wohlwollende Henry Budge waren wohl eher komplementäre Charaktere. Wie passt das zusammen, bürgerliches Geld und demonstrative Eleganz? 

Karen Michels: Mit ihrem glamourösen Lebensstil bestätigte Emma Budge den Erfolg ihres Mannes. Vielleicht war bei ihr – die ja nicht den höchsten Sphären des jüdischen Geldadels entstammte – auch eine Art soziale Aufstiegsenergie im Spiel. Ihrer Geburtsstadt Hamburg fühlte sie sich zeitlebens verbunden. Denn es war Emma Budge, die die Hansestadt als Wohnsitz und als Ausgangspunkt des Ehepaars für ausgedehnte Reisen bestimmte. Anscheinend eine gute Wahl, hat doch Henry Budge Hamburg später seine "Adoptivheimatstadt" genannt.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Was verraten das Budge-Palais – vom Architekten Martin Haller als großzügige private Residenz erbaut – und die darin verwahrte Porzellansammlung über den Stil und den Gestaltungswillen des Ehepaares Budge? 

Karen Michels: Die Einrichtung von Haus und Garten geschah in Anlehnung an den internationalen Goût Rothschild. Porzellansammlungen wie die von Emma Budge waren damals nicht ungewöhnlich. Da sie in enger Abstimmung mit dem Museum für Kunst und Gewerbe ankaufte, kam es zu einer auf Hamburg bezogenen, wertvollen Ergänzung der Museumsbestände. Hamburg hätte sowohl das Palais als auch die Sammlung erben sollen. Angesichts der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik änderte Emma Budge jedoch ihr Testament. NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann richtete hier die "Reichsstatthalterei" ein. Durch Tricks und Finten brachte der nationalsozialistische Staat fast das gesamte Erbe des Budges an sich. Die hamburgische Öffentlichkeit sollte wissen, wie es dazu kam, dass die Stadt mit dem Budge-Palais ein so prächtiges Gebäude – heute die Musikhochschule – in so außerordentlich bevorzugter Lage an der Alster besitzt. Mein Buch erzählt diese Geschichte.

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